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Michael Brückner

Integrale Persönlichkeits-entwicklung

Aktualisiert: 3. Mai 2023

Ich setze mich seit vielen Jahren mit allen möglichen Ansätzen zur Persönlichkeitsentwicklung und der proaktiven Evolution des Menschen auseinander und habe dabei sehr viel Interessantes erfahren. Ein Problem für mich tauchte dabei aber immer wieder auf: entweder wurden diese Ansätze durch ihre Vertreter als Allheilmittel angepriesen, oder es waren Ansätze, die zwar gut, wahr und schön zu betrachten sind, aber wenig konkret auf die alltäglichen Herausforderungen des Lebens eingehen.


Der integrale Ansatz von Ken Wilber fügt all dem zwar nicht viel neues hinzu, aber das Grundmodell (ich beziehe mich hier auf 5 Elemente, die ich im folgenden vorstellen werde) bietet meines Erachtens erstmals einen wirklich hilfreichen Gesamtüberblick. Damit habe ich endlich eine Ordnung in die Vielfalt der Ansätze und Modelle bekommen mit denen ich mich bisher beschäftigt hatte. Das Modell gibt mir Orientierung für meinen ganz persönlichen Weg, es bringt mich wirklich weiter, und zwar in vielerlei Hinsicht, wovon nicht zuletzt auch meine Kunden profitieren, die auf der Suche nach Perspektiven, Orientierung, Struktur, Motivation und Antworten zu mir kommen.


Wozu dient das integrale Modell? Es ermöglicht eine Übersicht auf alle wesentlichen menschlichen Lebenswelten in Form einer umfassenden „Landkarte“. Diese Landkarte besteht aus fünf Elementen, welche uns zu jedem Zeitpunkt zugänglich sind: genannt werden diese fünf Elemente: Quadranten, Linien (auch Intelligenzen), Zustände, Ebenen und Typen. Das Integrale Modell ermöglicht es, das gesamte menschliche Wissen zu ordnen und ein überschaubares Verhältnis der verschiedenen Disziplinen zueinander herzustellen. Dadurch können „weiße Flecken“ auf der Landkarte entdeckt sowie Grenzen einer Disziplin durch den Außenblick anderer Disziplinen verdeutlicht werden, wodurch auch Irrtümer und Sackgassen erkannt werden können. Die fünf Elemente des Integralen Modells Das erste Element: Quadranten Die 4 Quadranten entstehen durch die Pole Innen und Außen sowie Einzahl und Mehrzahl. In entsprechendem Kontext lassen sich die Pole auch in „subjektiv und objektiv“ sowie „individuell und kollektiv“ einteilen. Wir bewegen uns zu jeder Zeit in allen Quadranten, wir beeinflussen sie und sie beeinflussen uns. Der 1. Quadrant (Innen Einzahl) beschreibt unsere Innenwelt (subjektive Wahrnehmung, Gedanken, Gefühle, Wille, Träume etc.) Der 2. Quadrant (Außen Einzahl) beschreibt unsere Außenwelt (alles was uns außen begegnet und was von uns äußerlich wahrnehmbar ist: Menschen, Tiere, Pflanzen, Materie, alles was die Naturwissenschaft rational erfassen kann sowie unser Erscheinungsbild, Verhalten, Gestik, Mimik usw.) Der 3. Quadrant (Innen Mehrzahl) beschreibt unsere gemeinsamen Werte und Überzeugungen (Verhaltensregeln, Kultur, Glaube etc.) Der 4. Quadrant (Außen Mehrzahl) beschreibt das äußerlich sichtbare Zusammenwirken innerhalb von Organisationen (Strukturen, Familien, Institutionen, Unternehmen, Gesellschaften, Staaten, Naturabläufe etc.) Wenn wir den Herausforderungen des Lebens adäquat begegnen wollen, ist es sinnvoll, sich im Klaren darüber zu sein, wo wir in allen Quadranten stehen und welche Bereiche möglicherweise vernachlässigt werden („weiße Flecken“ auf der Landkarte). So sind Lösungen für Probleme vielleicht in einem anderen Quadranten zu finden, als wir das bisher geglaubt haben. Wird jemand beispielsweise gemobbt, dann kann es sein, dass die Lösung des Problems nicht darin zu finden ist, dass gegen die "Täter" (2.Quadrant) vorgegangen wird, oder das "Opfer" aufgrund der vermuteten Ohnmacht (1.Quadrant) geht, sondern indem die Strukturen (4.Quadrant) in welchen sich beide bewegen, derart verändert werden, dass Mobbing garnicht mehr möglich wird. Ein Ungleichgewicht zwischen den Quadranten (z.B. das Fehlen des Blicks auf den 4.Quadranten am Beispiel des Mobbings), wirkt sich auf den ganzen Menschen aus, da die Quadranten ja nur ein Hilfsmittel sind und in Wirklichkeit den Menschen als ganzes und die Lebenswelten in denen er sich bewegt, beschreiben. Das zweite Element: Linien Die Linien, auch Intelligenzen genannt, beschreiben die Vielzahl der Anlagen und Fähigkeiten jedes einzelnen von uns. Es kann unterschieden werden zwischen logisch-mathematisch-rationaler Intelligenz (klassisch: der IQ-Test), intrapersoneller Intelligenz (Reflexionsfähigkeit des eigenen Innenlebens), sozialer Intelligenz (interpersonell, zwischenmenschlich), rhythmisch-musikalischer Intelligenz, körperlicher Intelligenz (kinästhetisch, Tänzer, Sportler, Schauspieler), sprachlicher Intelligenz (linguistisch, kommunikativ), räumlicher Intelligenz (Bildhauer, Architekten etc) naturalistischer Intelligenz ("Sehen" von größeren Zusammenhängen, Newton, Einstein, Darwin) und existentieller Intelligenz (Seinsfragen, Philosophie, Intuition, Spiritualität). Typisches Beispiel: ein mathematisch-rational hochintelligenter Mensch (ein "Macher") kann sozial geradezu schwachsinnig sein. Wozu wäre so jemand in der Lage, wenn er seine soziale Linie stärken und auf eine zumindest durchschnittliche Ebene weiterentwickeln würde? All diese Linien lassen sich entwickeln, und je mehr Linien entwickelt werden, desto weiter wird der individuelle Horizont desjenigen, was sich natürlich auch in der Wechselwirkung mit anderen auswirkt. Das dritte Element: Zustände Mit Zuständen ist all das gemeint, was unterschieden werden kann wie Wachen und Schlafen oder Träumen . Zustände sind nie von Dauer. Ein Musiker z.B. kann sich in einem Zustand erleben, wo das Musizieren wie von selbst vonstatten geht, an anderen Tagen dann wieder nicht. Durch viel Übung, Lernen und Erfahrung können Zustände dauerhafter werden. Wenn eine Dauerhaftigkeit erreicht ist, sprechen wir nicht mehr von Zuständen, sondern von Ebenen oder Stufen. Ein Profimusiker kann Zustände erreichen, die dem Ohr des Laien nicht mehr zugänglich sind. So kann ein solcher Musiker ein Konzert geben, welches in seinen Ohren einem schlechten Zustand endspricht, für die durchschnittlichen Zuhörer jedoch meisterhaft erscheint. In Bezug auf Zustände wie Wachen, Schlafen und Träumen findet sich die Ebene oder "Dauer" im Grad des Bewusstseins, also in einer Kontinuität "hohen" bzw. geschärften Bewusstseins. In allen drei Zuständen kann ich mein Bewusstsein schulen, ohne dass sich der eine Zustand auf Kosten eines anderen entwickelt (z.B. was die Dauer des Wachzustands gegenüber des Schlafzustands angeht). Auch im Schlafzustand jenseits des Träumens ist Bewusstsein möglich. Dazu mehr unter dem oben gesetzten Link zu den Träumen. Das vierte Element: Ebenen Wenn wir z.B. Fahrrad- oder Autofahren lernen, können wir verschiedene Ebenen oder Stufen der Beherrschung unterscheiden. Anfangs sind wir noch unsicher, je mehr Übung wir haben, desto mehr schwindet die Unsicherheit. Dann kann es auch zum Übermut kommen, man denke nur an Fahrradunfälle, die man eventuell als Kind erlebt hat. Auch daraus lernt man. Irgendwann sind wir sicher und auf einer durchschnittlichen Ebene des Könnens angelangt. Wir können aber auch Rad- oder Autorennsportprofis werden und entsprechend höhere Ebenen der Beherrschung erreichen. Spannend finde ich dabei die Möglichkeiten, die sich auftun, wenn wir uns mit Ebenen des spirituellen Bewusstseins befassen. Dazu zähle ich auch Empathie, Gleichmut, Intuition, Inspiration. Durch Meditation und geistige Betätigungen kann ich heute rückblickend erkennen, dass ich früher "extatische" Zustände erlebt habe, die heute selbstverständlicher Teil meines Lebens geworden sind, da sie zu der Ebene gehören, zu der ich mich bis heute hin entwickelt habe. Vergleichbar ist das mit dem Beispiel des Musikers bei den o.g. Ausführungen zu den Zuständen. Und ich kenne Zustände, von denen ich mir sicher bin, dass ich mich hoch bis zu den ihnen zugehörigen Ebenen weiterentwickeln kann (wobei dies dann eher einer Weite entspricht und nicht einer Höhe). So werde ich beispielsweise oft gefragt, wie ich denn die Geduld aufbringe in meiner Arbeit täglich die Sorgen, Probleme und auch Schicksalsschläge meiner Kunden zu ertragen. "Es bedarf großer Geduld sie zu erlernen" sag ich dann gerne. Wichtig dabei ist, dass man nicht abstumpft, sondern im Gegenteil sein Bewußtsein schärft, indem man konstruktiv mit dem Gegebenen umgeht. Das ist hier sehr abstrakt ausgedrückt, aber das Phänomen, dass z.B. das was als "Geduld" gesehen wird, sowohl einem abgestumpften als auch einem geschärften Bewusstsein entspringen kann, dieses Phänomen ist bekannt unter der Bezeichnung "Prä-/Post-Verwechslung", worauf ich gesondert nochmal eingehen werde. Spiral Dynamics ist ein Ansatz, der sich vertiefend mit den Entwicklungsebenen von Individuen und der Menschheit als Ganzes auseinandersetzt und viel erhellendes und inspirierendes zu bieten hat. Das fünfte Element: Typen Es ist ganz wesentlich, wenn auch nichts neues, dass wir uns immer wieder klar machen müssen, dass wir Menschen alle unterschiedlich sind. Dass wir Menschen vor dem Gesetz alle gleich behandelt werden sollen, steht außer Frage. Ebenso gilt die Aussage: "Es gibt kein größeres Unrecht, als ungleiche Menschen gleich zu behandeln." Typologien wie die Unterscheidung feminin/maskulin, die der 4 Temperamente, die Typologie der "Grundformen der Angst", die des Enneagramms oder der Astrologie und zahlreiche andere, können uns dabei behilflich sein, mehr Verständnis für Menschen zu erlangen und uns jenen gegenüber zu öffnen, die unseren eigenen Vorstellungen und Verhaltensweisen zuwiderlaufen und uns gänzlich gegensätzlich zu sein scheinen. Dass dabei immer die Gefahr besteht, dass Typologien zu Schubladendenken verführen können, sollte immer im Bewusstsein bleiben. Auswirkungen auf mein Leben und meine Arbeit als Coach Am meisten gebracht für meine Arbeit und mein persönliches Wohlbefinden, hat mir die Auseinandersetzung mit den Linien. Privat habe ich angefangen Gitarre spielen zu lernen, habe diverse Swingtänze begonnen und Schauspielkurse besucht. Meine Stepptanzlehrerin z.B. brachte es auf den Punkt, indem sie sagte: „Keine Sorge wenn es am Anfang schwer ist. Wir üben das, die Synapsen wachsen dann von selbst, und schon bald beherrscht ihr es“. Mir ist dabei aufgefallen, dass rhythmisch mit meinem rechten Bein nahezu alles auf Anhieb klappte, während ich auf der linken Seite ständig aus dem Takt kam. „Was das wohl über meinen Gesamtzustand aussagt? Und wie es sich wohl auf ihn auswirkt, wenn ich nicht mehr aus dem Takt gerate?“ dachte ich mir dabei. Ähnlich erging es mir beim Gitarrespielen. Ich bringe meinem Körper Fingerfertigkeit und Rhythmusgefühl bei. Meine Linien entwickeln sich zu immer feineren, ausdifferenzierten, „höheren“ Stufen. Mit Schauspiel habe ich angefangen, weil ich mich in der Vergangenheit ausschließlich darauf konzentriert habe, in allem was ich tue mich möglichst nicht zu verstellen, authentisch zu sein. Nicht dass ich davon abgekommen wäre, aber was ist mit dem „weißen Fleck“ des Imitieren-Könnens? Wenn ich als Trainer vor einer Gruppe stehe, kann es nicht falsch sein, in meinem Auftreten eine Vielfalt von Haltungen, Gestiken, Mimiken und Sprechweisen bewusst zu beherrschen. Das gesamte Integrale Modell hat sich für mich auch in meiner Arbeit als Coach als sehr hilfreich erwiesen. Mit Hilfe der Quadranten finde ich in kürzester Zeit heraus, wie sich die Anliegen meiner Kunden am effektivsten angehen lassen. Ich habe mir zu jedem der 4 Quadranten entsprechende Fragen formuliert, die ich im Rahmen von Coachings als zielführend und angemessen erlebet habe. Auch die Beschäftigung mit Typologien, insbesondere der des Enneagramms, hilft mir und meinen Kunden im Umgang mit Menschen im Berufs- und Privatleben.


Wenn du dir einen kurzen Überblick über das gesamte Modell verschaffen willst, empfehle ich Ken Wilbers Buch "Integrale Vision".




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