- oder warum ein Paradigmenwechsel in der Arbeitswelt Jahrzehnte braucht
Auch wenn Begriffe wie Generation X, Y, Z eigentlich unzulässige Verallgemeinerungen darstellen, da mit ihnen nur Geburtenjahrgänge zusammengefasst werden, obwohl ihre Zusammensetzungen viel diverser sind, werden diese gerne herangezogen um Aussagen über die jeweilige Generation zu machen. Komplexitätsreduktion könnte man das nennen, damit sollen Laien dann besser verstehen können.
Über die so genannte Generation Z wird geschrieben, dass sie hohe Ansprüche an die Arbeitgeber stellen, also flexible Arbeitszeitmodelle, flache Hierarchien bzw. eine hohe Eigenverantwortung und Entscheidungsbefugnis, remote zu arbeiten wenn möglich, einen attraktiven Arbeitsplatz und nicht zuletzt Purpose, also Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit. Wie kam es dazu?
Eigentlich haben wir es gegenwärtig vor allem dem Fachkräftemangel zu verdanken, dass Arbeitgeber gezwungen sind attraktiver zu werden. Die Pandemie hat zudem gezeigt, dass Arbeiten von zuhause aus in vielen Bereichen durchaus möglich ist, dank Internet und moderner Software. Aber auch die Wirtschaftswissenschaften, Sozialwissenschaften, Psychologie und Biologie haben in den letzten Jahrzehnten erkannt, dass die Motivation und Produktivität nicht nur durch monetäre Anreize sondern vor allem durch Wertschätzung und ein hohes Maß an Vertrauen in die Eigenverantwortlichkeit der Arbeitnehmer erreicht werden.
Im Grunde fing dieser Paradigmenwechsel schon mit dem Abolitionismus im 18. Jahrhundert an, also der Abschaffung der Sklaverei. Warum? Weil es in der menschlichen Natur liegt. Der Nationalsozialismus hat gezeigt was passiert, wenn das Gegenteil versucht wird: Kontrolle durch Angst und Terror auf der einen Seite und die Freiheit zu Willkür und verantwortungslosem Handeln durch den Segen des Führers und der Partei auf der anderen - Top-down Management in pervertierter Extremform.
Die Kriegsgeneration war nach Ende des 2. Weltkrieges erstmal froh überhaupt arbeiten zu können. Die sogenannte Beat Generation der frühen 50er Jahre, Avantgarde der Hippie-Bewegung, hatte einen großen Einfluss auf das Selbstverständnis der folgenden Generationen gegenüber Kapitalismus, Konsum und die Art zu leben jenseits von Status und Besitz. Friedensbewegung und die 68er waren die ersten, die Massenproteste gegen das sogenannte Establishment auf die Strassen brachten. Schon ein Jahr vor der Ölkrise 1973, erschien der Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit, in welchem "Die Grenzen des Wachstums" deutlich wurden und dem ungebändigten Kapitalismus wissenschaftlich belegt seine auf Dauer irreparable Zerstörung der natürlichen Ressourcen und des Gleichgewichtszustandes auf der Erde errechnete.
Es dauerte über 25 Jahre, also gut eine Generation, bis die Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik diese Erkenntnisse ernst zu nehmen begannen bzw. von denen abgelöst wurden, die gewillt waren sie ernst zu nehmen. Und weitere 25 Jahre, also bis heute, dass auch die Arbeitnehmer die Möglichkeit haben dies einzufordern.
Was wird die Generation Alpha erwarten, also die Arbeitnehmer die etwa ab dem Jahr 2030 in den Arbeitsmarkt einsteigen werden? Wird der Paradigmenwechsel vollzogen sein? Vielleicht wird ein Wirklichkeit gewordenes Manifest der Generation Z eine Selbstverständlichkeit sein? Das könnte dann in etwa so aussehen:
Gen Z Manifest
Purpose über allem. Was auch immer wir tun, wir tun es um das Leben lebenswerter zu machen. Wir wollen die Welt in einem besseren Zustand hinterlassen als wir sie vorgefunden haben. Sehr viel Zeit unseres Lebens verbringen wir mit Arbeit, bezahlt und unbezahlt. Unsere Vorfahren haben es geschafft uns eine Welt zu hinterlassen, die uns frei vom reinen Kampf ums überleben gemacht hat. Diese Freiheit ermöglicht es uns heute statt nur frei von äußeren Zwängen zu leben, frei zu entscheiden womit wir unsere Lebenszeit verbringen wollen. Das ist neu und wir müssen dafür noch viel lernen, wir müssen die Existenzangst überwinden die nur noch in unseren Köpfen umhergeistert, genährt von schlechten Medien und Schwarzmalern. Wir wissen was getan werden muss. Weniger Konsum, mehr Kreation, Austausch und miteinander Lernen. Wir wollen, dass die Arbeit mit der wir unseren Unterhalt verdienen unserer Erde, der Umwelt und den Mitmenschen dienen anstatt sie auszubeuten. Was früher erstrebenswert erschien, die Anhäufung von Vermögen, weicht heute einem tieferen Sinn: den Reichtum dieser Erde, ihrer Natur, unserer Lebensgrundlage zu erhalten und mit dem neuen Verständnis der gegenseitigen Abhängigkeit zu kultivieren. Das Wissen dazu ist vorhanden, allein die Trägheit, die Macht der Gewohnheit der alten Denk- und Verhaltensweisen bremsen diesen überlebensnotwendigen Evolutionsschritt. Wir lernen von der Zukunft her zu denken und dem Sein in der Gegenwart mehr Gewicht zu geben, als dem Wiederholen vergangener materialistischer Bequemlichkeiten. Das Miteinander macht uns reich, nicht das Gegeneinander. Wir konkurrieren mit unserem vergangenen ich, wir wollen besser sein als wer wir waren. Die Welt ist in keinem guten Zustand, aber der Zustand ist eine Momentaufnahme, in Wirklichkeit befinden wir uns in einem Prozess, schon immer, und es kommt auf jeden einzelnen von uns an in welche Richtung wir diesen Prozess beeinflussen. Wir haben gelernt besser zu kommunizieren, Konflikte gekonnt zu lösen, Problemen als Herausforderungen zu begegnen, ungute Verhaltensweisen mit Hilfe unserer Mitmenschen gemeinsam durch bessere zu ersetzen. Wir besitzen das Wissen über Wertschätzende (Gewaltfreie) Kommunikation, Mediation, Cocreation, Design Thinking, Scrum, Flow, Suffizienz und so viele andere lösungsorientierte Ansätze, dass wir sie nur noch einzusetzen brauchen um eine Revolution im Inneren zu vollziehen, die unsere äußere Welt noch retten kann.
Der Autor diese Textes gehört der Generation X an, was immer das heißen mag....
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